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aktuelles Urteil [98 KB]



Als Beispiel für ein veröffentlichtes Urteil des Monats im Magazin Dienstes haben wir als Leseprobe eine interessante Entscheidung ausgewählt, die Sie nachfolgend im Volltext wiedergegeben finden (veröffentlicht in der Ausgabe März 2007).



3.8. Überraschende Koppelung (§§ 3, 4 Nr. 11, 5 UWG, 1 I S. 1, VI PAngV)
OLG Frankfurt a. M. - 6 U 24/06 - Urt. v. 30.11.06

Das Kombinationsangebot einer blickfangmäßig beworbenen Internet-Flatrate mit einem nicht am Blickfang teilnehmenden Angebot zum DSL-Telefonieren mit eigener Flatrate erfordert eine deutliche, am Blickfang teilnehmende Aufklärung über die Vertragskoppelung.


Aus den Gründen:
I.
Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Werbung der Beklagten für ihr „Sparpaket Surf+Phone im Internet und in einem Werbeprospekt. Im Blickfang der beanstandeten Werbung wird der Preis von € 9,90 monatlich für eine DSL-Flatrate herausgestellt. Ein Sternchenhinweis führt zu einem klein geschriebenen Auflösungstext, aus dem der Leser entnehmen kann, dass das Angebot der DSL-Flatrate nur gekoppelt mit einem DSL-Anschluss und dem Telefontarif „DSL Phone 100 mit der Preisangabe „für 19,90 EUR/Monat (100 Std./Monat ins deutsche Festnetz telefonieren, danach 1 ct./Min.) wahrgenommen werden kann. Die Klägerin beanstandet, dass die Beklagte den Eindruck erwecke, sie biete einen Internet-Zugangsvertrag mit einem Flatrate-Preis von € 9,90 monatlich an, während der Kunde in Wahrheit nur die Möglichkeit habe, einen Flatrate- und DSL-Phone-Kombinationsvertrag mit einer monatlichen Grundbelastung von zusammen € 29,80 abzuschließen.

Das Landgericht hat der Klage unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform im Wesentlichen stattgegeben.

...

Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, die angegriffene Werbung sei irreführend (§§ 3, 5 UWG) und verstoße außerdem gegen die § 1 I S. 1, VI S. 1 PAngV i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Die Blickfangwerbung vermittle dem Betrachter den - unzutreffenden - Eindruck, er könne bei der Beklagten ein Flatrate-Angebot für 9,90 €/Monat wahrnehmen und zwar isoliert, also nicht in ein Dienstleistungspaket eingebunden und kombiniert mit einem Telefontarif wie „DSL Phone 100. Die Sternchenkennzeichnungen mit den Auflösungstexten seien zur Aufklärung des Verbrauchers über die tatsächlich bestehende Koppelung der DSL-Flatrate mit dem Telefontarif nicht ausreichend, zumal durch die Erläuterungstexte die Blickfangangabe, so wie sie der Verbraucher verstehe, nicht bloß erläutert, sondern korrigiert werde.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung eine wettbewerbswidrige Irreführung angenommen, die geeignet ist, zu einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung zu führen (§§ 3, 5 UWG).

Die im Streit stehende Blickfangwerbung ist für sich genommen irreführend, weil sie den Eindruck erweckt, die Beklagte biete eine Internet-Flatrate an, die zum genannten Preis erhältlich sei. Tatsächlich kommt der Kunde in den Genuss der als besonders günstig angepriesenen Flatrate aber nur dann, wenn er - neben der Übernahme von Zusatzkosten, mit denen er vielleicht rechnen mag, nämlich einem DSL-Anschluss für monatlich € 16,99 und der Bereitstellung des Anschlusses für einmalig € 49,99 - ein Kopplungsangebot annimmt, das den Internet-Telefon-Tarif „DSL Phone 100 einschließt und insoweit weitere € 19,90 monatlich (ab der 100. Stunde pro Monat zuzüglich 1 Cent pro Minute) kostet.

Damit enthält der Blickfang noch keine glatte objektive Unrichtigkeit („dreiste Lüge), denn als Bestandteil eines - in dieser Zusammenstellung unerwarteten - Kopplungsangebotes kostet die Internet-Flatrate tatsächlich nur € 9,90 im Monat.

Eine irrtumsausschließende Aufklärung ist in solchen Fällen grundsätzlich möglich. Notwendig ist insoweit ein leicht erkennbarer, deutlich lesbarer, klarer und unmissverständlicher Hinweis, der am Blickfang teilhat und dadurch den herausgestellten Angaben eindeutig zugeordnet ist, (BGH WRP 1999, 90, 93 - Handy für 0,00 DM; BGH WRP 2003, 379, 380 - Preis ohne Monitor; BGH WRP 2006, 84, 87, Tz. 21 - Aktivierungskosten II). Für die Frage, wie deutlich der „Störer und der aufklärende Hinweis plaziert und gestaltet sein müssen, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. In geeigneten Fällen kann eine klar zugeordnete Fußnote ausreichen, in anderen Fällen ist ein deutlicheres Warnsignal erforderlich (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 5 UWG, Rdnr. 2.98).

Von maßgeblicher Bedeutung ist hierbei, ob der Hinweistext eine für das Angebot wichtige Information enthält, die für den durch die Blickfangaussage eingestimmten Werbeadressaten überraschend kommt. Gewinnt der Webeadressat schon aufgrund des Blickfangs einen bestimmten unzutreffenden Eindruck vom Inhalt des Angebots, dann kann die Irreführung nicht ohne weiteres durch einen - insofern dann berichtigenden und nicht nur erläuternden - Sternchenhinweis behoben werden, wenn der Adressat in diesem Hinweis nur übliche oder unbedeutende Zusatzinformationen erwartet und dessen Lektüre deshalb für entbehrlich halten mag (vgl. Urteile des Senats vom 11.04.2002 - 6 U 31/01, OLGR 2002, 227 f. und vom 19.10.2006 - 6 U 98/06, sowie Beschluss des Senats vom 01.04.2004 - 6 W 53/04). In solchen Fällen muss ein besonders deutlicher Hinweis gegeben werden. Der Hinweis muss derart am Blickfang teilhaben, dass der Werbeadressat ihn sofort zur Kenntnis nimmt, ohne sich nach Erfassung der Blickfangaussage erst in einem eigenständigen Wahrnehmungsschritt der Aufklärungsfrage zuwenden zu müssen.

Im vorliegenden Fall sind an die Irrtumsaufklärung hohe Anforderungen zu stellen. Zu berücksichtigen ist, dass es um ein Kopplungsangebot geht, das hinsichtlich der Preisangaben einer besonderen Missbrauchskontrolle unterliegt (BGH WRP 2006, 84, 87, Tz. 20 - Aktivierungskosten II; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG, Rdnr. 2.98). Zudem liegen hier die Kosten für die Internet-Flatrate und den Grundbetrag des Telefontarifs auf derselben Ebene; es würde wirtschaftlich keinen Unterschied machen, wenn der eine Betrag höher und der andere niedriger wäre (vgl. hierzu BGH WRP 2006, 84, 87, Tz. 21 - Aktivierungskosten II). Insofern unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von den bekannten Entscheidungen zur Handy-Werbung, bei denen zwischen dem Preis für das Gerät und dem Netzkartenvertrag zu unterscheiden war.

Vor allem ist für den angesprochenen Verbraucher die Koppelung eines DSL-Phone-Angebots mit einer blickfangartig beworbenen Internet-Flatrate überraschend. Zwar gibt es mittlerweile in verbreitetem Umfang derartige Kombinationsangebote verschiedener Anbieter. Diese werden aber (soweit ersichtlich) von vornherein, also ggf. schon im Blickfang, als Kombinationsangebot beworben, beispielsweise mit dem Slogan „Surf & Phone. Es kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass der Verkehr, dem gegenüber eine DSL-Flatrate als besonders günstig angepriesen wird, erwartet, das Angebot nur gekoppelt mit einem Internet-Telefonvertrag wahrnehmen zu können. An einem solchen Telefonvertrag wird, unabhängig von der Attraktivität des darauf entfallenden Preisbestandteils, vielfach auch kein Interesse bestehen, etwa weil der betreffende Verbraucher anderweitig vertraglich gebunden ist, weil er weiterhin herkömmlich telefonieren möchte oder vielleicht auch, weil er die Benutzung eines Mobiltelefons bevorzugt. Damit unterscheidet sich die Wirkung einer Blickfangwerbung für eine günstige Internet-Flatrate grundlegend von der Wirkung einer Blickfangwerbung, die ein Handy für „0,00 DM oder einen symbolischen Betrag anpreist. In diesen Fällen der Handy-Werbung weiß der Verbraucher, dass er ein Handy nicht (fast) umsonst zur freien Verfügung erhält, sondern stets gekoppelt mit einem Netzkartenvertrag, über den das Handy letztlich bei wirtschaftlicher Betrachtung finanziert wird (BGH WRP 1999, 90, 92 - Handy für 0,00 DM).

Der Aufmerksamkeitsgrad, mit dem der Verbraucher die beanstandete Werbung zur Kenntnis nimmt, ist in der Regel eher gering. Häufig nehmen Verbraucher derartige Angebote nur beiläufig zur Kenntnis; sie erkennen und behalten sich nur den im Blickfang, aus dem sie den wesentlichen Angebotsinhalt bereits zu entnehmen glauben, herausgestellten günstigen Preis für die DSL-Flatrate. Erscheint dieses (so verstandene) Angebot einem Verbraucher im Vergleich zu Konkurrenzangeboten attraktiv, so kommt der Verbraucher ggf. darauf zurück und befasst sich näher mit dem Angebot. In dieser Vorauswahl liegt bereits der Irreführungserfolg. Im Übrigen wird auch ein interessierter Verbraucher, der seinerseits aktiv nach Angeboten Ausschau hält, bei der ersten Sichtung häufig noch keinen Wert auf alle Einzelheiten legen. Auch er wird daher einen Erläuterungstext, in dem er keine für eine erste Einschätzung wichtigen Angaben erwartet und den er erst suchen und entziffern müsste, häufig nicht zur Kenntnis nehmen.

Die somit hohen Anforderungen an die Deutlichkeit des Störers und des Hinweises selbst werden im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Hinweis, nicht nur der Störer, müsste am Blickfang teilhaben (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH WRP 2006, 84, 87, Tz. 22- Aktivierungskosten II). Dem wird die angegriffene Werbung nicht gerecht. Das kleine (fußnotenartige) Sternchen führt zu einem relativ umfangreichen, ungegliederten und in kleiner Schrift gehaltenen Hinweis der keineswegs gemeinsam mit der Blickfang-Aussage wahrgenommen wird. Die Gestaltung des Hinweises vermittelt zudem äußerlich den Eindruck, es würden lediglich die bei dem Angebot einer Flatrate üblichen und dem Verkehr schon teilweise vertrauten Punkte angesprochen. Für eine so überraschende und zugleich preisrelevante Information, wie die hier erteilte über die Kopplung mit einem DSL-Phone-Angebot ist die Platzierung und Gestaltung des Hinweises in keiner Weise ausreichend.

Auch die Möglichkeit im Internetauftritt über einen Link auf eine nachgeordnete Seite zu gelangen, auf der dann durch die mit einem Pluszeichen verbundene Präsentation beider Angebotskomponenten ein augenfälliger Hinweis auf die Angebotskoppelung gegeben wird, genügt zur irrtumsausschließenden Aufklärung nicht. Denn es fehlt insoweit an einer ausreichend klaren Zuordnung zu der Blickfangangabe. Zwar kann eine über einen Link erreichbare Information als Hinweis bzw. zur Vervollständigung der notwendigen Angaben genügen (BGH WRP 2005, 886 - Internet-Versandhandel; BGH WRP 2006, 1507 - Anbieterkennzeichnung im Internet). Das gilt jedoch nicht, wenn es - wie hier - um die notwendige Relativierung einer für sich genommen irreführenden Blickfangwerbung geht und der Werbeadressat keinen Anlass hat, die Richtigkeit der für ihn eindeutigen Blickfangaussage durch die Nutzung elektronischer Verweise zu überprüfen. Im vorliegenden Fall spricht die preisbezogene Blickfangwerbung gerade auch diejenigen Verbraucher an, die sich über den Preiskampf auf dem einschlägigen Markt einen Überblick verschaffen wollen und sich dann - irregeführt - mit dem Angebot der Beklagten näher befassen, obwohl sie das tatsächlich dahinter stehende Kombinationsangebot, wenn sie es als solches erkannt hätten, möglicherweise schon bei der ersten Sichtung aussortiert hätten. Ein solcher Verbraucher geht bei der ersten Sichtung keinen elektronischen Verweisen nach, hinter denen er lediglich Detailinformationen vermutet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten enthalten der Blickfang und dessen optisches Umfeld keine „Signale, die den Verbraucher auf die Existenz besonderer Angebotsbedingungen aufmerksam machen könnten. So legt die Verwendung des Wortes „Sparpreis keineswegs die Vermutung nahe, der herausgestellte Preisvorteil werde nur unter besonderen Voraussetzungen gewährt. Aber auch die Unterzeile „Telefonieren für 0 ct./Min.! bzw. „Kostenlos telefonieren! ändert nichts. Denn der verständige Durchschnittsverbraucher vermutet dahinter keine Einschränkung des DSL-Flatrate-Angebots, sondern den Hinweis auf ein weiteres Leistungsangebot der Beklagten, das mit dem Flatrate-Angebot vielleicht kombinierbar sein mag.

Die Frage, ob die Beklagte auf die weiteren, zu der Internet-Flatrate und dem Telefontarif hinzutretenden, Zusatzkosten, insbesondere auf die Kosten für den DSL-Anschlussvertrag, ausreichend deutlich hingewiesen hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Sofern ein Werbeadressat damit rechnet, bei der Beklagten zusätzlich einen DSL-Anschlussvertrag (zu dem üblichen Preis von € 16,99 für DSL 1024) abschließen zu müssen, lässt dies auch nicht etwa die selbständig zu beurteilende Irreführung über die Koppelung mit dem Telefonvertrag entfallen.

Neben dem Verstoß gegen §§ 3, 5 UWG liegt auch ein Verstoß gegen § 1 VI S. 1, 2 PAngV vor, der einen nicht nur unerheblichen Wettbewerbsverstoß (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG) begründet. Zwar besteht im vorliegenden Fall keine Verpflichtung zur Endpreisangabe. Die beanstandete Werbung entspricht aus den dargelegten Gründen jedoch nicht den Grundsätzen der Preisklarheit und Preiswahrheit.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 II ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die das Gericht auf der Grundlage anerkannter Rechtsgrundsätze bewertet hat.

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